Hafenfigur Konstanz

Prostitution

2014

Eine Auseinandersetzung mit Prostitution ist Lehrstück für die Komplexität von gesellschaftlichen Phänomenen und für die Weite des Spektrums der Interessen und Denkarten innerhalb der feministischen Szenen. Das Thema hat viele Ebenen und nicht alle Ebenen bieten die gleichen Antworten an.

Die Auseinandersetzung damit war bereichernd, weil Leerstück in der Komplexität von gesellschaftlichen Phänomenen wie Prostitution und darin, die Weite des Spektrums der Interessen und Denkarten innerhalb der Frauen. Das Thema hat viele Ebenen und nicht alle Ebenen bieten eine gleiche Antwort an.

Heißt es nicht, beim Geld und beim Sex höre der Spaß auf? Prostitution definiert sich genau hier. Geld und Sex. Brisant. Immer. Dazu kommen: Menschenhandel, Tätigkeit zur Existenzsicherung, Recht, Gewalt, Ethik.

Geld

Christina von Braun: Prostitution als Beleibung des Geldes:1

Die Geschichte der Prostitution ist nicht ohne die Geschichte des Geldes ist und der Geldwirtschaft zu verstehen.

Geld als Wertmesser hat drei Ursprünge.

  1. materieller Wert (Grund und Boden, Naturalien, Edelmetalle)
  2. immaterielles Zeichen (Zeichen auf dem Stück Edelmetall, auf dem Blech oder auf dem Papier) Dieses Zeichen braucht einen Garanten, eine Autorität (einen Herrscher oder eine Gemeinschaft)
  3. Opfergabe   (Der Wert wird theologisch begründet und die Priester beglaubigen das Geld)

Alle drei Beglaubigungsarten sind schwankend, unsicher, von vielen Faktoren abhängig. Allen gemeinsam ist, dass man daran glauben muss. Und wenn es ans Glauben geht, mag die sakrale Variante die größere Glaubwürdigkeit haben: das Menschenopfer – Tieropfer – symbolisches Tieropfer (Stiersymbol der Börse, Relikte in den Strichen von €, $, Yen, Pfund,).

Elias Canetti hat in „Masse und Macht“ „beschrieben, wie eng der Glaube an den Wert des Geldes und der Glaube an das Selbst miteinander verknüpft sind: Sobald das Geld seine reine Zeichenhaftigkeit zur Schau stellt, nämlich in der Inflation, wird die Fragilität des Glaubenssystems offenbar: ‚Der Mensch, der ihr [der Mark] früher vertraut hat, kann nicht umhin, ihre Erniedrigung als seine eigene zu empfinden. Zu lange hat er sich mit ihr gleichgesetzt. Das Vertrauen in sie war wie das Vertrauen in sich selbst.’

Und weil das Geld als reines Zeichensystem seinen Besitzer in den Entwertungsprozess einbezieht, „verlangt es nach einem beständigen Wertmesser.

Der kommerzialisierbare Körper ist der Goldstandard des 21. Jahrhunderts.

Weibl. Eizelle, Spermien ( in Silber- Gold- Platin- oder Diamant Extra-Paketen angeboten), Körperteilversicherungen, Kinder, Schönheitschirurgie…Fitness…Sport…Lohnarbeit (Lebenszeit)…Prostitution

Mit der Ablösung von der Goldparität, die Aufhebung der Deckung durch die Zentralbanken und zuletzt das elektronische Geld, verfestigte sich die Wechselbeziehung von Geld und Prostitution. Prostitution dient der Beleibung des Geldes. Mit jedem Abstraktionsschub des Geldes ging ein Zuwachs der käuflichen Sexualität einher: Der Aspekt der Materialisierung wurde immer wichtiger.

Frei flotierend und aus allen Bindungen gelöst ist das Geld und die moderne Prostituierte.

Der männliche Körper hat das Geld, der weibliche Körper ist das  Geld. S. 386

Stuart Hall, der britisch-jamaikanische Philosoph und Vordenker der „Cultural Studies“ sagt, dass die Werbung sexualisiert aufgeladene Bilder braucht, dass das Kapital sie braucht, weil sie so mächtig sind.2

Auf diesem Hintergrund wäre Frauenverachtung nicht die Ursache von sexualisierter Werbung, sondern ihre Wirkung. Was Widerstand genauso nötig macht, was aber den Kontext und die Ausrichtung des Widerstandes dagegen verändern sollte.

„Heute reisen jedes Jahr geschätzte 35 Mio Menschen durch die Welt – auf der Suche nach käuflichem Sex… Fast alle Sextouristen kommen aus den Ländern eines fortgeschrittenen Finanzkapitalismus… Allein in Kambodscha werden täglich 50 000 Frauen und Mädchen ‚Opfer sexueller Ausbeutung‘…Einer Schätzung von 1995 zufolge macht das Prostitutionseinkommen 59 bis 60 % des Staatshaushaltes von Thailand aus…

Viele Länder der Dritten Welt, die Kreditanträge stellen, werden von IWF und Weltbank aufgefordert, ihre Tourismus- und Unterhaltungsindustrie zu entwickeln. „In jedem dieser Fälle führte die Erweiterung dieses Sektors zu einem Aufschwung der Industrie des Sexhandels.“ S. 403

Die Sexindustrie wird als Sektor mit der höchsten Expansionsrate eingestuft. S. 404

Neu dazugekommen ist, dass der Deckmantel der „Freiheit“ dazugekommen ist. Das ist im System der Liberalisierung kein Zufall.

„Wie in der Pornograrphiedebatte werden ‚feministische‘ Argumente herangezogen, um einschränkende Prostitutionsgesetze zu verhindern. ‚Alle ‚Produkte‘ der Sexindustrie werden als Errungenschaften einer liberalisierten Sexualität dargestellt. Wie jeder Markt hat auch die Prostitution kein anderes Ziel, als sich zu entwickeln. Um das zu erreichen, müssen neue Bedürfnisse geweckt, Angebot und Nachfrage erweitert werden.‘ Es entstand … ein ‚Neusprech’, durch den ‚die Freiheit, sich zu prostituieren‘ als ein Recht und eine Errungenschaft der weiblichen Emanzipationskämpfe dargestellt wird. Die Intervention gegen die Prostitutions- oder Pornographieindustrie wird als Einschränkung weiblicher Freiheit verurteilt. ‚Diese Wendung ist spektakulär. Weil es Frauen gibt, die andere Frauen prostituieren, weil es Filmemacherinnen gibt, die Pornos drehen, weil es Besitzerinnen von Sex-Shops gibt, sind die Sexindustrien zu einem Ort feministischer Subversion geworden. Inzwischen sind auch Frauen am Menschenhandel beteiligt: In Bayern ist ein Viertel aller Tatverdächtigen weiblich.“  S. 406

Die liberalen Prostitutionsgesetze spiegeln nicht die Freisetzung der Lust, sondern die Bedürfnisse der ‚freien Marktwirtschaft wider.

Produzenten der modernen Marktwirtschaft (anstatt sich Frauen zu leisten) werden „in Frauen“ bezahlt. Das ungeschriebene Regelwerk des modernen Finanzkapitalismus ist, das erfolgreiche Transaktionen in „lebenden Münzen“ bestätigt werden.

„Hans Leyendecker, der ein Buch über den VW-Skandal und andere Korruptionsaffären geschrieben hat, zitiert den Leiter der Personalprojekte bei VW, Hans Joachim Gebauer( ganz Buchhalter): „Die Organisation insgesamt, sowohl auf dem normalen Gebiet als auch auf dem Gebiet der Versorgung mit Prostituierten, lief 15 Jahre lang absolut ohne Beanstandung. Es gab also nie irgendetwas, was nicht funktionierte. Na gut, es fehlte mal eine Tasse oder so. Mehr aber nicht.“

Die „Versorgung mit Prostituierten“  gehörte zu den normalen Arbeitsaufgaben. Ohne Beanstandungen erfüllt. Die meisten Beteiligten (u.a. Personalchef Peter Hartz) waren soziale Aufsteiger, die es in die obere Liga geschafft hatten.

Verurteilter Uhl (Ex- IG Metaller, Ex Betriebsrat, Ex-Aufsichtsrat, Ex- Geschäftsführer bei VW) vor Gericht: „Ich habe mich in der letzten Zeit oft gefragt, wie es zu diesem Verhalten gekommen sein mag, das nicht zu meinen persönlichen und politischen Wertvorstellungen passt. Was die Kontakte zu Prostituierten angeht, bin ich über mein Verhalten bis heute fassungslos. Es ist daher nur der Versuch einer Erklärung, wenn ich sage, dass in dieser Zeit meiner Betriebsratszugehörigkeit eine Atmosphäre entstanden ist, die mich teilweise die Bodenhaftung hat verlieren lassen“

„Auch andere Aussagen im VW Prozess machen ganz deutlich, dass das Geld im Vordergrund stand und die Sexualität nur eine Form von Währung war.“

Sabine Grenz: Freier berichten:3

Ingenieur im Außendienst: bei manchen Kunden sei bereits eine SexArbeiterin ungefragt ins Hotel bestellt. Makler: Bauabschlüsse werden regelmäßig im Bordell gefeiert.

Personalentwickler gehobenes Management: es gibt zwei Arten von Geschäftsessen: mit und ohne Gattin. „Aus diesem Grund könne auch ein Vorstellungsgespräch den Bordellbesuch einschließen, um auszuprobieren, wie sich der Kandidat in dieser Umgebung bewege und ob er in die Firma passe. Die entscheidende Frage dabei sei nicht, ob er mit einer Sex-Arbeiterin aufs Zimmer gehe oder nicht, sondern ob er grundsätzlich damit umgehen könne, dass Bordelle besucht werden.“  (S. 343)

Menschenhandel

Im „Palermo-Protokoll“ der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2003, wird Menschenhandel folgendermaßen definiert: „Die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung.“

Lydia Cacho: SKLAVEREI. Im Inneren des Milliardengeschäfts Menschenhandel, Fischer 2011:

„Wir leben in einer Kultur, in der die Verschleppung, der Handel, der Missbrauch und die Zwangsprostitution an Mädchen und jungen Frauen zunehmend normal werden. Diese Kultur fördert die Verdinglichung des Menschen und tut so, als handele es sich dabei um eine Errungenschaft der Freiheit und des Fortschritts.“

„Auf Initiative der IOM richtete die türkische Regierung eine kostenlose Hotline für die Opfer des Menschenhandels ein. Die Hotline wird von einigen Hilfsorganisationen in Zusammenarbeit mit der IOM betrieben. Ich spreche mit einigen jungen Frauen aus Moldawien und Kroatien, die mir erklären, die ‚Rückführung in die Heimatländer’ sei ein Witz. Es handele sich dabei lediglich um die Deportation von ausgewählten Frauen, die zu lange im Geschäft seien. Die neuen lassen sich kontrollieren und reden nicht – oder noch nicht.“ (S. 43)

„Wenn die Menschenhändler ‚verbrauchte’ Opfer loswerden wollen, informieren sie die Polizei, die eine Razzia veranstaltet, um die Frauen zu deportieren, bzw. in ihre Heimatländer zurückzuführen“

 „Die Menschenhändler zeichnen die Folterungen der Mädchen auf und verkaufen sie als Snoff-pornos.“ Hilfsorganisationen: „Wie sollen wir Anklage gegen die Folterpornographie erheben, wenn wir vor Gericht beweisen müssen, dass es den Mädchen ‚nicht gefallen’ hat? Fragt Anne, die Psychologin einer Hilfsorganisation. Das Gericht geht davon aus, dass … Sadomaso Praktiken ein vollkommen normales Geschäft ist… Es ist unmöglich nachzuweisen.“ (S. 274)

„Mädchen können sich freikaufen, wenn sie für Nachschub sorgen…Aktive Beteiligung der Frauen an den Verschleppungen nimmt exponentiell zu.“ (S. 277)

„Die meisten Hilfsorganisationen für Opfer der Sklaverei machen klar, dass man die Prostitution nicht für sich genommen diskutieren kann, sondern im Zusammenhang mit Politik, Armut, Ungleichheit, Rassismus und Ausbeutung erörtern muss.“  (S. 285)

„Neue Kolonialherren in Südostasien: Die Behörden sind den Ausländern dankbar, die eine pädophile Mafia gegründet haben und sich Frauen aus der Region als Sex- und Haushaltssklavinnen halten, denn sie spenden Geld für Schulen und buddhistische Tempel.“  (S. 279)

Kolumbien: „Unternehmen betreiben Sexshops und finanzieren Kampagnen zum Schutz der Rechte von Prostituierten. Später wurden sie als Kinderpornoring verhaftet.“

Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei  2013 / Juni, Manfred Paulus, Erster Kriminalhauptkommissar a. D., Ulm/Donau:

„Bereits im Jahre 2002 (Im Jahr des Inkrafttretens des Prostitutionsgesetzes), machte der deutsche Botschafter in der Republik Moldowa (Moldawien) das Auswärtige Amt in Berlin wiederholt darauf aufmerksam, dass nicht mehr das Botschaftspersonal, sondern allein Gruppierungen der Organisierten Kriminalität darüber entscheiden, wer ein Visum für die Einreise von Moldowa nach Deutschland erhält und wer nicht… Es kann getrost davon ausgegangen werden, dass es neben den wenigen, die dafür bezahlen konnten, vorrangig OK-Angehörige und ihre Helfer waren und deren (potenzielle) vorwiegend weibliche Opfer aus dem verarmten, kleinen Land. Es erscheint geradezu unglaublich: Die Hilferufe des Botschafters blieben ungehört.“

Prostitutionsbefürwortende Feministinnen4 sehen die Umsetzung der UN Konventionen gegen Menschenhandel kritisch, weil ihre Umsetzung dazu führt, „dass Frauen in der Realität entweder als Kriminelle gelten, strafrechtlich verfolgt werden müssen, oder als wehrlose Opfer, denen mit einer Rückführung geholfen werden soll.“ S. 169

Sie stellen fest, dass „sämtliche Maßnahmen gegen den Frauenhandel der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der illegalen Migration dienen.“ S. 170

Daraus allerdings den Kurzschluss zu ziehen „Die Europäische Politik benutzt den Kampf gegen das organisierte Verbrechen, um auch gegen Migration und Prostitution vorzugehen.“ S. 170 halte ich für politisch fragwürdig.

Es wird dafür plädiert, über Arbeitsmigration und Menschenrechte statt über Menschen- und Frauenhandel zu debattieren.

Dieses „statt“ erscheint mir eine strategische Ausblendung von Menschenhandel in Zusammenhang mit Prostitution. Das staatliche Interesse an der menschenverachtenden Abschottung des Wohlstands (Frontex…)  ist sicherlich nicht identisch mit dem Interesse, Prostitution auszugrenzen. Die Illegalisierung von migrierenden Menschen mit seinem Potential an Ausbeutbarkeit dient ja dem Prostitutionsgeschäft. Zwischen 50 und 95 % der in der Prostitution Tätigen sind Migrantinnen. Unterschieden muss schon werden zwischen Frauenhandel (Verschleppung, Vergewaltigung, sexualisierte Ausbeutung…) und dem großen Kreis der Frauen mit illegalem Aufenthaltsstatus, die deshalb rechtlich schutzlos und damit besonders ausbeutbar sind und oft Ernährerinnen ihrer Herkunftsfamilie sind.

Dass in den Medien ein differenzierter Umgang mit Menschenhandel fehlt, ist unverkennbar. Auch die merkwürdigen Bündnisse zu diesem Thema:

„Der amerikanische Präsident Barack Obama hat in einer faszinierenden Rede gegen Menschenhandel jedenfalls jüngst auch ausdrücklich den Evangelikalen für ihren enormen Einsatz gegen Menschenhandel gedankt.“ sagt Thomas Schirrmacher, Botschafter für Menschenrechte der Evangelischen Allianz. Gerade Christen seien in diesem Punkt gefragt, deren Motivation „im Namen Gottes Gerechtigkeit zu fordern” bei Evangelikalen besonders stark sei.

Eine Dokumentation der ROLAND BERGER STIFTUNG München 2008 zu „Sklaverei und Menschenhandel im 21. Jahrhundert. Verletzungen von Menschenwürde und Menschenrechten in einer globalisierten Gesellschaft“ benennt neben gut klingenden Hebel zur Bekämpfung: „Internationale, rechtsverbindliche Standards setzen und gemeinsam überwachen Bestehende Vereinbarungen müssen, wo nötig, verschärft und rechtsverbindlich umgesetzt werden. Deren Überwachung kann nur durch die Einrichtung schlagkräftiger, grenzüberschreitender Polizei- und Sozialeinheiten sowie durch die Bekämpfung staatlich geduldeter Korruption erreicht werden.“

Aus einem Vortrag von Karo e.V., 2007:

„Ein ökonomischer Grundsatz sagt, jeder Markt der bestehen will, braucht eine gewisse Nachfrage und wird von dieser Nachfrage letztendlich bestimmt. Ohne diese Nachfrage gäbe es keine Händler, die daran verdienen könnten.

Es erscheint zunehmend, dass alles in unserer Welt konsumierbar und käuflich ist.
Lust wird psychologisiert, medialisiert und technisiert.
Es ist nicht nur ausdrücklich erlaubt, was gefällt, es wird auch leistungsbezogen eingefordert. Dies sorgt für Ausmaß und Art der Nachfrage.

Pädosexuelle Täter gab es wahrscheinlich schon immer in der Geschichte der Menschheit. Bei aller Verwerflichkeit war dabei aber nie von einem gesellschaftsbedrohlichen Massenphänomen auszugehen.

In der Regel existiert eine intensive Täter Opferbeziehung, die Ermittlungen gestalten sich zwar aufgrund labiler Zeugen schwierig, sind aber trotzdem durchaus Erfolg versprechend. Die Strafverfolgungsbehörden haben die Möglichkeit mit ihren klassischen Methoden zum Erfolg zu kommen.

Ein gewisser Teil der Pädosexuellen ist auch an der kommerziellen Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen beteiligt. Der weit aus größere und gefährliche Teil sind heutzutage Masochisten und Sadisten. Es existiert in der Regel keine natürliche Opfer- Täterbeziehung. Die Täter verhalten sich konspirativ, betreiben Abschottung, sind organisiert und von den Strafverfolgungsbehörden mit klassischen Methoden kaum erfolgreich zu bearbeiten.

Solange der Grundtatbestand im Vergehen liegt, obwohl humanitär ein klares Verbrechen vorliegt, fehlen den Strafverfolgungsbehörden in Deutschland sowie auch in Tschechien Erfolg versprechende rechtliche Ermittlungsmethoden.“5

Eine Sendung auf 3 Sat am 21. 2. 14    „Ware Frau“

Nigeria. Benin City, Menschenhandel hat Reichtum gebracht. Neue Häuser. „Diese Verlockung macht sie anfällig… Sie glauben den falschen Versprechungen der „Madams“.

Von Tante oder Frauen, denen sie vertraut haben, werden Junge Frauen angeworben, Versprechungen, Pass  weg, Vertrag Schulden,…

„Frauen sind hier die Altersvorsorge der Familie.  Deswegen spielen Frauen im Menschenhandel auch so eine große Rolle.“

„Madam“:  rekrutiert und transportiert nicht selbst, dafür hat sie Handlanger. „Sie ist so etwas wie die Spinne im Netz. Sie entscheidet über das Schicksal der Opfer und sie streicht alle Profite ein.“ Voodoo-Schwur vor der Reise. Schamhaare, Kopfhaare, Fingernägel, Blut werden abgenommen. Wenn Frauen sich weigern, wirkt die Angst vor der afrikanischen Magie, Suizide,…   „denn diese Dinge von Dir, die im VoodooSchrein liegen, die können gegen Dich verwendet werden. Das ist schwarze Magie.“ Als Prostituierte gearbeitet, verhaftet, abgeschoben. Arm. Lebt mit 5 Personen auf 10 qm. 40 000  Euro ging an Madam. Sie gilt als Versagerin. Man macht sich über sie lustig. Tritt einer Freikirche bei. 

Zuhälterinnen in D sind sicher. Erfolgreiche Geschäftsfrauen. Es gibt wenig Interesse an Gerichtsverfahren in D.  Bernhard Busch Polizei. http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/wdr/nigeria-weltspiegel-100.html

Recht

„Die Auffassung, dass Prostitution „sittenwidrig“ sei, bestand seit der Reformation. Das Bundesverwaltungsgericht stellte am 15. Juli 1980 fest, dass „Erwerbsunzucht (…) eine sittenwidrige und in vieler Hinsicht sozialwidrige Tätigkeit“ sei und 1993 zog die Bundesregierung aus dem Makel der Sittenwidrigkeit den bewährten Schluss, „daß die Ausübung der Prostitution nicht als Gewerbe im gewerbsrechtlichen Sinne angesehen werden kann“. Nach Sozialdemokraten und Abolitionistinnen meldeten sich seit den 1970er Jahren erstmals die Prostituierten selber zu Wort. Den Auftakt der sogenannten „Hurenbewegung“ bildete eine Kirchenbesetzung von 150 Prostituierten am 2. Juni 1975 im südfranzösischen Lyon, der weitere Besetzungen folgten. Die Frauen sagten, dass ihre Arbeit das „Mittel“ sei, „das wir gefunden haben, um mit dem Leben fertig zu werden“, und wehrten sich dagegen, dass sie auf der einen Seite gebraucht und deshalb nicht verboten, auf der anderen aber als „schmutzige, anormale“ Personen verachtet wurden. Der 2. Juni wurde zum „Internationalen Hurentag“.

Auf dem europäischen Kongress 1991 in Frankfurt am Main forderten die Teilnehmerinnen – anders als die Sozialdemokraten und die Abolitionistinnen im 19. Jahrhundert – nicht mehr die Abschaffung der Prostitution, sondern ihre Anerkennung als Lohnarbeit oder Gewerbe. Die Prostituierte Cora Molloy trug das Modell „Beruf Hure“ vor, das ihre Mitstreiterinnen – gemeinsam mit Juristinnen und Frauen der PDS und der Grünen – entwickelt hatten.“

Am 1. Januar 2002 trat das „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ (ProstG)in Kraft. Es hat drei Paragraphen.

§ 1 

Sind sexuelle Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden, so begründet diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Person, insbesondere im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, für die Erbringung derartiger Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt für eine bestimmte Zeitdauer bereithält.

§ 2 

Die Forderung kann nicht abgetreten und nur im eigenen Namen geltend gemacht werden. Gegen eine Forderung gemäß § 1 Satz 1 kann nur die vollständige, gegen eine Forderung nach § 1 Satz 2 auch die teilweise Nichterfüllung, soweit sie die vereinbarte Zeitdauer betrifft, eingewendet werden. Mit Ausnahme des Erfüllungseinwandes gemäß des § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Einrede der Verjährung sind weitere Einwendungen und Einreden ausgeschlossen.

§ 3 

Bei Prostituierten steht das eingeschränkte Weisungsrecht im Rahmen einer abhängigen Tätigkeit der Annahme einer Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts nicht entgegen.

Davon unberührt sind im StGb Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (sexueller Missbrauch, Vergewaltigung,….), Ausbeutung von Prostituierten (vorher Förderung statt Ausbeutung), Zuhälterei, Ausübung der verbotenen Prostitution (z.B. außerhalb von Sperrgebieten), Jugendgefährdende Prostitution, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft, Förderung des Menschenhandels

Prostitution war bereits vor dem ProstG eine legale Tätigkeit. Nur die Förderung, nicht die Ausübung von Prostitution war verboten. Die Abschaffung der Sittenwidrigkeit ist auf der Gesetzesebene nicht in erster Linie eine moralische, sondern eine zivilrechtliche Regulierung, die nur besagt, dass die Rechtgeschäfte nicht mehr unwirksam (weil sittenwidrig, also „gegen Treu und Glauben“) sind, sondern dass die Entlohnung der Prostitution rechtlich zulässig sind.

Sittenwidrig sind z.B. Verträge die zu einer Straftat führen, Bestechung, Preis-Leistungs-Unverhältnismäßigkeit, Wucher, Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung, unlauterer Wettbewerb,…

Ein möglicherweise unsittliches Rechtgeschäft ist nicht notwendigerweise sittenwidrig.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Berlin war die Prostitution bereits vor dem Prostitutionsgesetz nicht mehr sittenwidrig: „Die staatliche Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde darf nicht dazu missbraucht werden, den Einzelnen durch einen Eingriff in die individuelle Selbstbestimmung gleichsam vor sich selbst zu schützen“. Dez. 2000

Der Europäische Gerichtshof hat 2001 klargestellt, dass Prostitution zu den Erwerbstätigkeiten gehört, die „Teil des gemeinschaftlichen Wirtschaftslebens“ im Sinne von Art. 2 EG-Vertrag sind.

In der Praxis hat diese Neuregelung der Sittenwidrigkeit kaum Relevanz, denn es bleibt bei Vorkasse und sozialversicherungspflichtige Anmeldungen gibt es auch kaum. Die Prostituierten verbinden damit eher eine Aufwertung gegen Ausgrenzung und Entwürdigung und Stärkung ihres Selbstbewußtseins.

Manfred Paulus, Kriminalhauptkommissar:

„Die deutsche Prostitutionslandschaft der Gegenwart werden, nicht zuletzt durch täterfreundliche Gegebenheiten, längst in weiten Teilen und bundesweit von vielfach der Organisierten Kriminalität (OK) zuzuordnenden Gruppierungen gelenkt und beherrscht.

In den Subkulturen und Parallelgesellschaften der Prostitutionsmilieus bestimmte und bestimmt zum Beispiel niemals der Gesetzgeber oder das Prostitutionsgesetz darüber, wer sich kranken- oder sozialversichert und wer nicht, sondern allein die Zuhälter. …Das Machtgefälle zwischen Bordellbesitzer oder Zuhältern und Prostituierten lässt dabei, so wie in anderen Bereichen auch, keinerlei Entscheidungsfreiheiten zu. Die bundesdeutschen Rotlichtmilieus sind – und auch das wurde verkannt oder aber ignoriert – Subkulturen mit völlig eigenen Wertvorstellungen, mit eigenen Gesetzen, eigenen Richtern und wenn erforderlich, auch mit eigenen Henkern.

Und alle Milieupersonen, Täter wie Opfer, Mieter wie Vermieter, Wohnsitzlose, Drogenabhängige, Prostituierte, Schlepper, Zuhälter und Kiezkönige, sind und fühlen sich diesen Gesetzen – allein diesen Gesetzen – unterworfen und verpflichtet. Die Opfer des Menschenhandels lernen das in ihrer ersten Lektion und die wird ihnen zumeist schon vor Betreten deutschen Bodens und deutscher Bordelle erteilt. Die Gesetze der Allgemeinheit dagegen interessieren in den Milieus nicht;

Bleibt doch ein Rätsel, wie der Gesetzgeber auf die geradezu absurd erscheinende Idee kommen konnte, Zuhältern in der Gesetzgebung ein ausdrückliches Weisungsrecht einzuräumen. Die Folgen dieser verwunderlichen und höchst täterfreundlichen Bestimmung konnten dann auch nicht ausbleiben und sie blieben nicht aus:

Plötzlich lehnten und lehnen es die Gerichte (z. B. das LG Augsburg) ab, Anzeigen wegen nachgewiesener Zuhälterei mit dem Hinweis auf dieses Weisungsrecht auch nur entgegenzunehmen, obwohl von den Ausbeutern zum Beispiel Preise, Arbeitszeiten, Sexualpraktiken und ähnliches diktiert wurden, obwohl ein Nacktheitsgebot ausgesprochen oder ein Telefonverbot für Prostituierte oder für Milieuopfer angeordnet wurde.

Die Milieus im Rotlicht sind ständig und seit jeher auf der Suche nach Zugängen zu den für sie interessanten und nützlichen Bereichen wie Politik, Wirtschaft, Sport, Medien, Justiz und nicht zuletzt zur Polizei… Und sie sind keineswegs immer erfolglos dabei. .. deutsche Luden wurden vielfach entmachtet und in die neuen Strukturen integriert oder aber verdrängt; ausländische, vielfach der OK zuzuordnende Gruppierungen haben übernommen.

Sie betätigen sich als Großinvestoren im Bereich von Freizeitanlagen, Wellnessbetrieben, Erlebnis- oder Saunalandschaften… Sie errichteten als Freizeittempel getarnte Edelbordelle, bestens platziert neben Flughäfen, Business- oder Politzentren oder neben der Polizeiakademie (nichts ist Zufall in diesen Milieus, alles ist Strategie). Wiederum andere sind (angeblich) ausgestiegen und managten plötzlich Sportgrößen oder wandelten sich gar zu Parlamentariern…“

Birgit Sauer („Verhandlungen im Zwielicht): Unterschiedliche Ländermuster, vier Prostitutionsregime:

Prohibitive Regimes

Verbieten Prostitution und kriminalisieren Prostituierte wie auch Kunden und Zuhälter.  USA, alle staatssozialistischen Staaten.

Abolitionistische Regimes

Verfolgen das Ziel, Prostitution aus der Welt zu schaffen, vor allem aber die staatliche Organisation von Prostitution zu unterbinden. Sie kriminalisieren in der Regel Kunden wie Zuhälter. Schweden.

Reglementarische Regimes

Entkriminalisieren Prostitution, treffen aber keine weiteren Absicherungen für AnbieterInnen von Sexarbeit. Der Staat kontrolliert die Ausübung, u.a. durch sittenpolizeiliche Maßnahmen wie Registrierung und staatliche Gesundheitsuntersuchungen. Österreich.

Sexwork Regimes

Da ist der Kauf und Verkauf von sexuellen Dienstleistungen als Form von Arbeit anerkannt und rechtlich geregelt. Niederlande

Europa seit 1945:

Schwankend zwischen Angebotsorientierung und Kontrolle/Disziplinierung

Sexualität

Die mittelalterliche klare Trennung in Kleiderordnung, erlaubten Orten  und anderen einschränkenden Regeln haben die Prostitution eindeutig als „Das Andere“ von der „normalen“ Frau sichtbar gemacht. Heute trägt jede Darstellung von weiblicher Sexualität Züge der Prostitution. S. 405

Modernes Marketing der Prostitution:

„Solange aber selbstbestimmte Prostitution als unmöglich gesehen wird, erlaubt man Frauen nicht, ihre Sexualität oder ihre körperlichen Gefühle selbst zu definieren. Die Frau, die Sex und Liebe trennt, Spaß am Sex mit Fremden hat oder Prostitution sogar als ermächtigend erlebt, läuft dann immer Gefahr, nicht richtig zu sein;… Es ist gerade das Ansehen von Prostituierten als ewige Opfer, das Frauen das Recht abspricht, über ihren Körper selbst zu bestimmen.“6 Diese Sicht auf weibliche Selbstbestimmung teile ich nicht.

Antje Schrupp schreibt in  https://www.untergrund-blättle.ch/gesellschaft/prostitution_ist_kein_fall_fuers_gesetz.html

Auszüge: „An dieser Stelle wurde in der Debatte deutlich, wie weit neoliberale Begründungsmuster bereits in linke und feministische Denkweisen vorgedrungen sind: Hauptsache freiwillig, dann ist alles erlaubt. Folgerichtig fand kaum jemand etwas dabei, wenn sich Allianzen zwischen Feministinnen, Freierverbänden und Bordellbetreibern bildeten… Allerdings ist das eine Diskussion, die nur sinnvoll geführt werden kann, wenn man das Thema „Gesetzgebung“ verlässt. Es geht hier nämlich nicht einfach um „richtig/falsch“, sondern um die Frage, was wir wollen…

Doch wenn die Bereitstellung eines weiblichen oder jugendlichen Körpers zur Befriedigung der sexuellen Lüste eines erwachsenen Mannes nicht im Rahmen „ehelicher Pflichten“ oder sonstiger hierarchischer Verhältnisse geschieht, sondern im Rahmen eines geregelten Konsumverhältnisses – dann scheint plötzlich wieder alles paletti zu sein. Was sich verkauft, ist erlaubt und gut, das ist der Kern des neoliberalen Weltbildes. Doch in Wirklichkeit ist es eben nur dasselbe in Grün: Männer haben das Recht, sich mithilfe der Körper anderer Menschen zu befriedigen ohne Rücksicht auf deren eigenes Begehren nehmen zu müssen .

Es ist aus meiner Sicht mehr als wünschenswert, die Frage nach dem gegenseitigen Begehren als Voraussetzung für legitimen Sex ins Zentrum der Debatte zu rücken. Warum zum Beispiel haben Freier überhaupt Lust, mit einer Frau oder einem Mann Sex zu haben, die oder der das nur für Geld macht? Warum legen sie so wenig Wert darauf, von ihrem Gegenüber begehrt zu werden? Wie wirkt sich diese Geringschätzung des Begehrens der anderen über den Aspekt der Sexualität hinaus auf das Verhältnis der Geschlechter aus?“

Es geht dabei nicht um den Aspekt Sex ohne Liebe, was ja als ein Hauptmotiv der Prostitution genannt wird,7 sondern um das fehlende gegenseitige Begehren. Deshalb ist es auch höchst zweifelhaft, dass es vielen Männern dabei um sexuelle Lust geht, sondern um eine sexualisierte Form der Selbstvergewisserung, die eine Vorstellung männlicher Macht über Frauen voraussetzt und nährt.

Auch die Konflikte, die Männer haben, wenn sie im globalen und flexiblen Arbeits- und Lebenssetting nicht die gewünschten Sexualpartnerinnen auf Augenhöhe finden, sollten nicht durch die Bereitstellung einfacher und schneller sexueller Geschäfte „gelöst“ werden. Diese Form der „Lösungsorientierung“ ist weder Frauen, noch Männern würdig.

Diese Gedanken (reicht Einvernehmlichkeit als Maßstab aus) beziehen sich nicht nur auf Sex in der Prostitution, sondern auf die alltäglich sexuellen Beziehungsmuster.

Der Punkt ist nicht, ob ich es o.k. finde, dass Frauen beispielsweise Lust auf promiskuitives Verhalten haben oder ungewöhnliche sexuelle Vorlieben haben – alles eine Frage der Moral, sondern dass ich es nicht gut finde, wenn zur Sicherung des Lebensunterhaltes Frauen sexuelle Handlungen mit möglichst vielen nicht ausgesuchten, oft unberechenbaren und frauenverachtenden  Männern gestalten oder aushalten müssen.

Auf dieser Ebene der Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung erscheint mir eine Kriminalisierung von Prostitution nicht der sinnvolle Schritt, auch nicht als inhaltlich wirkungsvolles Signal (wie die des Verbots der Prügelstrafe, in der Schweden Vorreiterin war), weil die große Zahl der in der Prostitution arbeitenden eine (existenzsichernde) Realität ist, mit der wir einen Umgang finden müssen. Befürwortung von Prostitution ist das falsche Signal. Die Frage hier wäre nicht, was ich verbieten möchte, sondern was ich will und wie und mit welchen Positionen ich mich sichtbar mache.

Tätigkeit zur Existenzsicherung

1975 begann die Selbstorganisation der Prostituierten Europa. Nach mehreren „ungeklärten“ grausamen Prostituierten-Morden besetzten sie in Lyon für mehrere Tage eine Kirche.

Auf den dann folgenden nationalen und internationalen Versammlungen der Prostituierten wurden Forderungen erarbeitet: keine Sperrbezirke, Abschaffung aller Bußgelder und Gefängnisstrafen, die es damals nur für Prostituierte gab, keine Wiedereröffnung von Bordellen, keine Eros-Center etc. Was „Eros-Center“ und Bordellkonzerne – die es bereits Anfang der 1970er Jahre gab – für Prostituierte bedeuten, beschrieb eine Prostituierte aus Lyon:

„Das wird doch schon alleine wegen des Schaufensters, ein Supermarkt für Mädels, die wahnwitzigste Konkurrenz. Für die Mädels könnte das so aussehen, dass man ewig hinter der erotischsten Pose und der pornoartigsten Haltung her ist. In Eros- Centern werden Mädels nicht genommen, die anders arbeiten wollen, angezogen und mit mehr als Slip und Büstenhalter bekleidet. Der Besitzer wirbt sie entweder an oder nicht, also macht der die Gesetze. Und da steckt wirklich die Zuhälterei vom Feinsten – die richtige industriemäßig aufgezogene Zuhälterei.“ (ebd., 232)8

Diese Sichtweise wurde in der  Liberalisierungsdebatten in Deutschland, Frankreich und in den Niederlanden verschüttet.

Aufklärung und Kritik 2/2003, Dr. Richard Reichel und Karin Topper (Nürnberg):

„Prostitution: der verkannte Wirtschaftsfaktor“

„In der Praxis behilft man sich mit getarnten Anzeigen, die Dienstleistungen von „Modellen“ oder „Hostessen“ offerieren und die sich am Rande der Legalität bewegen. Entsprechend hoch sind die Kosten für solche Anzeigen. Hier hat man es auf Seiten der Tageszeitungen mit den Gewinnern der Regulierung zu tun. Noch völlig ungeklärt ist auch die Frage nach einer Jobvermittlung durch das Arbeitsamt. So wurde es vom Arbeitsamt Görlitz zunächst abgelehnt, eine Stellenanzeige eines in Gründung befindlichen Clubs im bundesweiten Stellenpool der Bundesanstalt für Arbeit zu schalten. Begründet wurde dies mit dem Aufwand vor dem Hintergrund der „bisherigen Entwicklung in diesem Marktsegment“(!!!). Inzwischen wurde die Anzeige veröffentlicht, nachdem die Tätigkeitsbeschreibung von „Hostessen für erotische Dienstleistungen“ in „Bardamen und Tänzerinnen“ abgeändert worden war. Die Sache wird gegenwärtig vom Petitionsausschuss des Bundestages bearbeitet.“

Prostitution als Beruf anzuerkennen würde nicht nur die Praxis der Jobcenter skandalisieren. Wobei der eigentliche Skandal ja nicht der ist, eine Frau in Prostitution zu vermitteln, sondern überhaupt Menschen bei Drohung des Entzuges des Existenzminimums in nicht dem Beruf und Begehren entsprechende Ausbeutungsverhältnisse zu zwingen.9 Und wie würden wir die Angebote von schulischen Orientierungspraktika in Bordellen bewerten?10

Jede Tätigkeit zur Existenzsicherung ist Verkauf von Arbeitskraft, Wissen und Können. Auch Prostituierte verkaufen nicht sich selbst oder ihren Körper, sondern allenfalls vermieten sie ihn. Bei Sex gegen Beziehung / Ehe sieht es da schon anders aus, aber da ist es „nur“ ein Mann und nicht ständig, viele, unterschiedliche.

Auch hat natürlich auch Prostitution vergleichbare Aspekte mit anderen Tätigkeiten:

Körpereinsatz (fast jede Lohnarbeit, Sport, Massage, Dirigent…) geistig emotionaler Einsatz, der am ehesten der Psychotherapie (oder der Seelsorge) vergleichbar ist. Eine Stunde Aufmerksamkeit wird bezahlt. Bei Unzufriedenheit gibt es kein Geld zurück. Es ist quasi die Zeit, nicht der Erfolg, der honoriert wird. (im Ggs. zum Handwerk). Die Grenzen zwischen erlernter Kompetenz und Technik und Einsatz der Persönlichkeit mit Gefühlen und Geist ist fließend.

Die Praxis dieser Dienstleistungen ist nicht ohne gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse zu sehen. Im therapeutischen Setting hat die Therapeutin entschieden mehr Macht als die Anbieterin sexueller Dienstleistungen… außer der Frau, die sexuelle Dienste für geistig behinderte Männer anbietet, weshalb mir das auch schwerer fiel, dies als Prostitution anzusehen.

Hängt die Machtfrage von den Intentionen der Kunden ab (suchen sie Nähe, den schnellen, beziehungslosen Sex, oder wollen sie frauenverachtende Gewaltphantasien ausleben) sowie von den Macht-Ressourcen, die die Prostituierten dem entgegensetzen können: Unter welchen sozialen und gesundheitlichen Umständen sie ihrer Tätigkeit nachgehen, wie frei sie darin sind, Freier abzulehnen. Auch wie frei sie sind, Arbeitsort, Tätigkeitsarten, Arbeitszeiten und Preise selbst zu bestimmen. Und ob sie mit der Prostitution jederzeit aufhören und auch etwas anderes machen können…??? Das greift es sicher nicht. Ein Frisör kann es sich auch nicht unbedingt leisten einen Kunden abzulehnen, kann seine Arbeitszeiten und Preise als Angestellter auch nicht selbst bestimmen und kann auch nicht mal eben so die Branche wechseln.

Auch auf dieser Ebene kann über ein Verbot (Kriminalisierung) der Prostitution nur gesprochen werden, wenn über Kapitalismus und Ausbeutung und menschenwürdige Existenzsicherung gesprochen wird.

Markt

(2011 Frankfurt)

Terminwohnungen. Mittelschicht. Ab 50 / 60 Euro bei 30 Minuten.

Sauna und Wellness. Nimmt zu. Preislich und zeitlich gehoben. Eintritt 3o – 70 Euro, zuzügl. Einzelpreise mit der Prostituierten.

Straßenprostitution. Nimmt ab. Wenig, Zeit, wenig Geld. Eng verknüpft mit illegalem, aber geduldetem Drogenstrich.

Laufhäuser (Bordelle). Männer laufen frei und suchen aus. 1000 – 2000 Männer für 33 Zimmer pro Tag = 30 – 60 Männer pro Tag pro Zimmer. Ab 25 Euro für 10 Minuten. Schnell, billig.

„Düsseldorfer Verfahren:

Hier wird eine Vorabpauschale abgeführt. Durch ein Pseudonym im Dokumentationssystem bleiben die Frauen anonym.

Das Problem ist hier die Höhe der Vorabpauschale von 30 Euro pro Schicht. Das ist ein totaler Hammer, weil davon ausgegangen wird, dass die Frauen am Tag Nettoeinnahmen in Höhe von 120 Euro erzielen. Derzeitig liegt der Durchschnitt, nach Abzügen, aber bei 30 Euro pro Tag und Schicht.

Eine Prostituierte aus Sydney hat uns einmal sehr plastisch beschrieben, wie dort die Sexarbeiterinnen die Männer, bevor es zur sexuellen Dienstleistung kommt, untersuchen. Wir fanden das hier überhaupt nicht adaptierbar, viele Krankheiten und Infektionen sind äußerlich gar nicht sichtbar. Es erschien uns aber dennoch als ein respektvoller Umgang und ist ein Vorgang des Bewusstwerdens: Was lass ich da in mich eindringen?“11

Verhäuslichung“(80%): In „Prostitution. Herstellung einer eigenen Welt“ ( Löw/Ruhne) werden die Konflikte, die entstehen, wenn Prostitution offen in Wohnviertel stattfindet, sehr einseitig gedeutet. Die Verwechslung von Prostituierten und Bewohnerinnen mit der entsprechenden Belästigung durch männliche Kunden wird nur als kleinbürgerliches Besitzdenken der Ehemänner, die ihre Ehefrau dadurch entehrt sehen, gesehen. Ganz links-feministisch erscheinend wird das Verschwinden der Frau als Prostituierte von der Straße als Domestizierung gesehen. Dass Frauen selbst sich von grenzüberschreitenden und frauenverachtenden Kunden belästigt fühlen können, scheint kein Thema.

Gewalt

Es gibt viele unterschiedliche Aussagen (Untersuchungen,…) zu dem Anteil der (sexuellen) Gewalterfahrung in der Kindheit von Prostituierten. Einen sensiblen und sinnvollen  politischen Umgang damit finde ich schwer….

Klarer wird es in der realen Gefährdung in der Ausübung der Prostitution (Klammer D):

Aktuelle oder vergangene Obdachlosigkeit: 75 % der Prostituierten (74 %)
Körperliche Gewaltanwendung während der Prostitution: 73 % (61 %)
Bedrohung mit einer Waffe während der Prostitution: 64 % (52 %)
Vergewaltigung in der Prostitution: 57 %, (63 %) davon 59 % (50 %) öfter als fünf mal.

In einer der Studien12 wurde gefragt, „Was brauchst du?“ Die Antworten ergeben

89 % Ausstieg aus der Prostitution
75 % ein sicheres Zuhause
76 % Berufliche Weiterbildung
61 % Zugang zu medizinischer Versorgung
56 % individuelle psychologische Betreuung
51 % gegenseitige Solidarität („Peer support“)
51 % Rechtsbeistand
47 % Drogen- und/oder Alkoholentzug
45 % Selbstverteidigungstraining
44 % Kinderbetreuung
34 % Legalisierung der Prostitution
23 % Körperlichen Schutz vor Zuhältern (Seite 51)

Das finde ich eher einen Ansatzpunkt.

Ethik (oder doch eher Politik?)

Zu sagen, dass Sex keine Ware sein darf, ist das ein politisches oder moralisches Argument?

Auch menschliche Organe, Sperma, Eizellen, Blut… sollen keine Waren sein…?

Der menschliche Geist, … soll keine Ware sein…? Das, was er herstellt, Bücher, Filme, Kunst können jedoch als Waren gehandelt werden…?

„Unkäufliches gegen käufliches einzutauschen, bedroht den Kern unseres Lebens.“

Kyrilla Spicher

Wenn wir sagen, Sexualität ist ureigener, intimer, lebendiger Lebensausdruck von Körper / Seele / Geist und deshalb unveräußerlich…? Dann trüge ein warenförmiger Umgang, Tausch oder Handel ein zerstörerisches, weil aufspaltendes Potential in sich. ??

Das betrifft genauso andere lebendige Ausdrücke wie Singen, Kunst, Denken. Einen Umgang mit solchen immateriellen Dingen und vor allem der Einsatz zur Existenzsicherung (Angebot, Verkauf) bewegt sich immer (wie alle Dienstleistungen, im Ggs zum Handwerk ) im Grenzbereich von Innen-Außen, Privat-Öffentlich, Echt-Unecht, …

Vielleicht hat deshalb das Attribut von sog. Ganzheitlichkeit so große Konjunktur.

Die feministische Polarisierung in „Freiwillige Prostitution oder Prostituierte als Gewaltopfer ist nur die Darstellung der jeweils anderen Seite derselben Medaille. Ob nun neoliberal oder paternalistisch, die differenzierte Wirklichkeit ist in dieser Schwarz-weiß-Malerei nicht zu erfassen.

Differenz heißt hier nicht Beliebigkeit, sondern durchaus Positionierung.

Meine Haltung ist, Prostitution ist nie eine gute Option, weder für Männer, noch für Frauen.

In der Prostitution Tätige sind keine unmündigen Opfer, sondern bleiben Subjekte ihrer Entscheidungen an vielen Punkten ihrer Tätigkeit. Das macht sie jedoch nicht unverletzbar und das gilt für alle, die Gewalt erlebt haben oder in prekären Abhängigkeits- oder Ausbeutungsverhältnissen leben oder arbeiten.

Der lukrative Weltmarkt der Prostitution ist nicht zu denken ohne Gewalt.

Frauenverachtung, sexuelle Folter und Mord von Kindern und Frauen, die organisierte Ausnutzung von Armut und eines jugendlichen aktiven Anpassungswillen an ein pornofiziertes, ökonomisiertes Frauenbild, der Handeln und das Verschieben von Frauen in der Prostitution … alles ist Teil dieses Marktes, den auch die z.T. gutbezahlte und u.U. recht selbstbestimmt arbeitende Eskortdame und selbständige Prostituierte immer auch mit bedient. Die proklamierte Trennung in freiwillige Prostitution auf der anderen Seite und Menschenhandel auf der anderen Seite mag für die einzelne Prostituierte auf dem Markt relevant sein, vor allem monetär, aber in ihrer gesellschaftlichen Dynamik und Interessen ist das eine ohne das andere nicht denkbar.

Der Satz von KOK13: „Deutlich möchten wir darauf hinweisen, dass nicht jede Prostituierte, nicht jede Migrantin in der Prostitution Opfer von Frauenhandel ist!“ ist sachlich richtig, in der Praxis (vor allem für die „Freier“ nicht trennbar (und ich unterstelle, auch von den BetreiberInnen auch  nicht gewollt), politisch gesehen jedoch individualistisch und erbarmungslos.

Die aggressive Werbung und Öffentlichkeitsarbeit von Hydra e.V. und Dona Carmen e.V. ist Werbung. Es geht ums Geschäft. Dazu haben sie das gleiche Recht wie alle anderen auch. Nur geht es geht dabei nicht um Emanzipation oder Frauenwürde, sondern um Marktanteile. Und warum sollen Frauen, die solange auf der Verliererinnenseite dieses Marktes waren, nicht auch selbstbestimmt mitverdienen?

Das dürfen sie tun – und ich darf es ablehnen.

Ein Apell zum Unterschreiben:

Der Karlsruher Apell für eine Gesellschaft ohne Prostitution.

Marita Blauth, Bonn 2014


1 Christina von Braun: Der Preis des Geldes. Eine Kulturgeschichte. Aufbau Verlag 2012

2 http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/das-kapital-will-sex

3 Sabine Grenz, Martin Lücke: Verhandlungen im Zwielicht. Momente der Prostitution in Geschichte und Gegenwart. Transcript Verlag Bielefeld. 2006 S. 319 ff

4 Sabine Grenz, Martin Lücke: Verhandlungen im Zwielicht. Momente der Prostitution in Geschichte und Gegenwart. Transcript Verlag Bielefeld. 2006

5 http://www.attac-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/AGs/Feminist_Attac/Themen/Karo_Kinderprost_Tschech.pdf

6 http://pinkstinks.de/prostitution/

7 Löw/Ruhne: Prostitution. Herstellungsweisen einer anderen Welt. Suhrkamp 201. S. 144 ff

8 Masterlehrgang Internationale Genderforschung & Feministische Politik, MASTER-THESIS 2012: FUCKING POOR   Was hat Sexarbeit mit Arbeit zu tun? Eine Begriffsverschiebung und die Auswirkungen auf den Prostitutionsdiskurs, von Anita Kienesberger

9 vergl. Helga Spindler: http://www.heise.de/tp/artikel/40/40612/1.html

10 vergl. http://frauensindkeineware.blogspot.de/p/position.html

11 Ein Job wie jeder andere auch? Marion Detlefs; https://direkteaktion.org/203-hydra-sexarbeit-interview/

12 empirische Studie eines achtköpfiges ForscherInnenteam unter Führung der us-amerikanischen Psychologin Melissa Farley

13 bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess (KOK) e.V.