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Begegnungen – Verbindungen – Ressourcen / Therapie in der TuBF: Einzigartig. Anders.

2006

Als feministisch inspirierte Therapeut*innen haben wir fachlich sehr unterschiedliche Methoden der therapeutischen Arbeit gelernt. Im Wesentlichen schöpfen wir aus der Fülle der Differenz dieser Methoden. Gemeinsames darin wäre am ehesten so etwas wie eine Arbeit an der Grenze, was auch bedeutet, eine Arbeit an der Verbindung. Wir können sagen: Eine Arbeit am Dazwischen – eine Arbeit im Dialog

Willkommen zu unserem Vortrag. Ich möchte mich zu Beginn kurz vorstellen: Mein Name ist Marita Blauth, ich bin 48 Jahre alt, Sozialpädagogin, Körpertherapeutin, Heilpraktikerin und ich arbeite seit 1984 in der TuBF. Das sind viele Jahre – viel Wandlung – viel Entwicklung. In und mit der TuBF.
Das Arbeitsspektrum der TuBF ist erst einmal knapp zusammengefasst:
Beratung / Coaching / Therapie. Das sind die drei Standbeine.

Doch was ist die TuBF?

Wir begreifen uns nicht als eine Hilfsorganisation, die Frauen hilft.

Wir sind ein Zusammenschluß von Frauen, die ihre Profession und ihren Geist, ihre Begeisterung mit Frauen teilen. Zum einen mit den Kolleginnen, zum anderen mit den Frauen, die für eine bestimmte Zeit unsere Professionalität und unseren Frauengeist für sich nutzen wollen.

In meinem Vortrag möchte ich Beratung und Coaching beiseite lassen und Ihnen am Beispiel unserer THERAPEUTISCHEN ARBEIT zeigen, wie wir arbeiten. Lassen Sie es einfach in Ruhe auf sich wirken, was Sie da von mir hören. Am Ende wird Zeit sein, darüber zu sprechen.

Als Frauen, die aus der feministischen Bewegung hervorgegangen, bzw. aus frauenpolitisch reflektierten Lebenserfahrungen wie unsere jüngeren Kolleginnen, haben wir fachlich sehr unterschiedliche Methoden der therapeutischen Arbeit gelernt. Im Wesentlichen schöpfen wir aus der Fülle der Differenz dieser Methoden. Wenn ich dennoch versuche, darin etwas Ähnliches oder Gemeinsames zu finden, dann wäre das am ehesten so etwas wie eine Arbeit an der Grenze, was auch bedeutet, eine Arbeit an der Verbindung. Wir können sagen,

eine Arbeit am Dazwischen – eine Arbeit im Dialog

Wenn es – wie meistens in Psychotherapien – um Veränderung geht –, ist die Arbeit am Dazwischen der Ort, wo Veränderung beginnt, von wo aus Entwicklung geschieht.
Ich möchte Ihnen nun die verschiedenen Dimensionen des Dazwischen in therapeutischer Arbeit vorstellen.

Zwischen angenehmen und unangenehmen Gefühlen oder Körperwahrnehmungen, womit in körpertherapeutischen Methoden gearbeitet wird.
Zwischen Halten und Sicherheit gehen als Grundlage der Veränderung – und Fordern, Ermutigen und Ermächtigen als Weg der Veränderung.
Zwischen dem Ganz oder Gar nicht, wie es im Erleben von Menschen beschrieben wird, die mit dem diagnostischen Begriff Borderline konfrontiert werden.
Zwischen extremem Leid und Todeserfahrungen und enormen Lebens- und Liebenskräften Zwischen der Erfahrung von Gewalt und der damit verbundenen Ohnmacht und der Erfahrung von Handlungskompetenz und Täterinnenschaft.

Zwischen dem Ganzen und seiner Teile
Wenn wir uns in unserer therapeutischen Arbeit an Ansätzen von sogenannter Ganzheitlichkeit orientieren, so ist das eine Aussage darüber, den Menschen als sehr komplexes Wesen zu sehen, dessen Vielfalt wir nicht gerecht werden, wenn wir uns einen Teilaspekt herausgreifen. Gleichzeitig arbeiten wir als Therapeutinnen nur mit Teilbereichen des Lebens – und das ist gut so, denn: Niemals ist der /die Andere ganz zu erfassen. Ja, mehr noch: Ansprüche an „Ganzheitlichkeit“ versprechen entweder zu viel oder können sich nah an Vereinnahmung oder Totalität bewegen.

Im Dialog mit der Anderen auch in einer therapeutischen Sitzung sind wir uns der Begrenzung unserer individuellen und kulturellen Sichtweisen im Verstehen der Anderen ebenso bewußt, wie auch der Kostbarkeit der Augenblicke, wo Teilbereiche sich öffnen und Verständigung / Resonanz geschieht.

Zwischen Innen und Außen, Fremd und Eigen
Manche Klientinnen sind geprägt von einer existentiell erlebten Auseinandersetzung zwischen dem Fremden und dem Eigenen. Ein therapeutisches Handlungsfeld dazu ist alles rund ums Thema Essen, bzw. Nahrung.

Nahrung, die wir von außen aufnehmen, wird im Laufe der Nahrungsaufnahme und Verdauung zu einem Teil des eigenen Körpers. Dies mag ein Prozess sein um Fragen wie “was will ich sein, wieviel Raum will ich einnehmen, was will ich abweisen, wo und wie ist meine Heimat, wer bin ich und wo beginnt der/das Andere“ – all das spielt sich sozusagen auf dem Terrain des weiblichen Körpers ab.“ Und wir können uns fragen, zu welchen Anteilen es dabei um eigentlich gesellschaftliche Kämpfe geht.

Zwischen zwei Menschen (Therapeutin und Klientin)
Hier ist die Arbeit am Dazwischen verankert in der Klarheit dessen, was wir „therapeutische Distanz“ nennen. Damit ist gemeint, die Klientin kann sicher sein, daß es in ihrer Therapie um ihre Entwicklung und ihre Geschichte geht. Sie wird in ihren eigenen Grenzen geachtet und vor persönlichen Kummer oder persönlicher Bedürftigkeit der Therapeutin geschützt.

Und mit dieser grundsätzlichen Klarheit, in diesem Setting, spannt sich zwischen den zwei Menschen ein Dazwischen aus. Ein dazwischen, das getragen wird vom professionellen Können und Mitgefühl der Therapeutin, ihrer eigenen Grenzen, ihrer Menschlichkeit und Unvollkommenheit – und von den Signalen, dem Fühlen, Wünschen und Wollen der Klientin.

Zwischen Diagnostik und Einzigartigkeit.
Als Therapeutinnen sind wir mit Krankheitsdiagnosen vertraut und nutzen sie manchmal, um uns als Kolleginnen zu verständigen. Gleichzeitig wissen wir, daß keine Definition und Diagnose dem einzigartigen Erleben einer Klientin gerecht wird.

Ihr Unbehagen oder ihr Schmerz sind so individuell wie ihre eigenen schöpferischen Kräfte und ihr Handlungspotential.

Ihr Aufbegehren und ihre Suche nach Sinn sind so wenig mess- oder reproduzierbar, wie ihr Prozess des Wachstums und der Veränderung.

Wir kennen das Gefühl von Leichtigkeit in den Therapiestunden, das gemeinsame Lachen ebenso wie die harte Arbeit und das Ringen um Verständigung, Verständnis und Entwicklung.

Zwischen Zweien und der Welt:
Die Therapie in der TuBF findet zwischen dem therapeutischen Zweierkontakt und der Welt statt. Unsere Vernetzung und unsere öffentliche Sichtbarkeit machen uns zu einer gesellschaftlichen Institution. Die Bedeutung dessen ist auch für die therapeutische Arbeit nicht zu unterschätzen, bietet sie doch einen Rahmen, der potentiell über die Exklusivität eines Therapiegespräches hinausweist: Berichte von Frauen über erfahrenes Unrecht sind auf eine Weise damit „in der Welt, ohne ihre Intimität und unsere Schweigepflicht zu verletzen“.

Zwischen Frauen als Kolleginnen
Als Team ist unsere Zusammenarbeit deshalb so fruchtbar, weil wir zwei Pfeiler (oder Pole) der Kommunikation gleichermaßen wichtig zu nehmen: Der eine Pol ist das Interesse an der Sache, was einem hohen Anspruch an Kompetenz und Sichtbarkeit einzelner meint, die Bereitschaft, sich zu zeigen und beurteilen zu lassen.

Der andere Pol ist das Interesse an uns, das Zwischenmenschliche, das WIE wir miteinander umgehen. Darin haben wir einen hohen Anspruch sowohl an Achtsamkeit wie auch an Konfliktlösungsfähigkeiten.
Zwischen qualitativ guter Arbeit und „Totalem Qualitäts Management“: Wir nehmen uns und unser Anliegen, wirklich gute Arbeit zu leisten, ernst und gewährleisten uns in der TuBF gegenseitig einen hohen Arbeitsstandard durch folgende Faktoren:

  • unser explizites Interesse an Auseinandersetzung und Veränderung,
  • regelmäßige Fortbildungen,
  • regelmäßige Teamsupervision durch eine auswärtige Supervisorin,
  • regelmäßige kollegiale und externe Fall-Supervision
  • ein achtsamer Umgang mit unseren körperlichen, geistigen und emotionalen Kräften
  • die Zusammenarbeit mit örtlichen und überregionalen Gruppen und Organisationen, insbesondere frauen-/ lesbenspezifisch und interkulturell arbeitenden, um eigene Konzepte zu teilen und zu überprüfen.
  • Gute Arbeitsorgansiation durch maximale Klarheit und Transparenz unserer arbeitsteiligen Strukturen bei hoher Verantwortlichkeit jeder Einzelnen
  • Interne und strukturelle Autonomie, um Personalentscheidungen gemeinsam zu treffen

Damit befinden wir uns zwischen unserer eigenmächtigen Definition von „Qualität“ und den zunehmenden Anforderungen an meß- und vergleichbare Standards, die sich
„Qualitätsmanagement“ nennen.

Der Boom von diversen QM-Systemen und den dazugehörigen Zertifizierungen ist auf dem Hintergrund zu verstehen, daß der Dienstleistungsbereich die höchsten Wachstumsraten hat und der Dienstleistungsmarkt sich deshalb für den Welthandel öffnen soll. Das hat zur Folge, daß sowohl EU-Binnenmarkt wie globaler Wettbewerb mittlerweile von allen Anbietern Qualitätsstandards in Produkten und Dienstleistungen verlangen. Es geht dabei um Vergleichbarkeit, damit alle Dienstleistungen den gleichen Normen entsprechen. Gleichzeitig dürfen unterschiedliche Standards auch keine Handelshemmniss für die Marktkonkurrenz darstellen. Das ist politisch hochbrisant und nicht umsonst gibt es großen Widerstand gegen diese Form der Globalisierung, wie gerade gegen die Bolkestein-Richtlinie, die Dienstleistungsrichtlinie der EU.

Wir bewegen uns mit unserem Verständnis von Qualität also zwischen verschiedenen Anforderungen und Machtsystemen. Das kann sich so auswirken, daß bei entsprechender Umsetzung und Entwicklung unsere Gemeinnützigkeit ein Handelshemmnis für andere Anbieter darstellt und die Förderung durch die Kommune damit gefährdet wäre.

Und in diesem Dazwischen begeben wir uns in den direkten Kontakt und Dialog mit Geldgebern, machen uns und unseren Ansatz transparent und nutzen unsere professionellen Kompetenzen, weiter lebendige, herrschaftskritische und gute Arbeit ohne Ausbeutung oder Entfremdung zu leisten. Das bedeutet z.B. auch, daß wir in der Kooperation mit dem Sozial- oder Arbeitsamt unsere professionellen Standards wie Freiwilligkeit und Schutz persönlicher Daten absichern und uns als Fachteam damit in die Auseinandersetzung begeben und mitgestalten.

Zwischen uns als Frauenprojekt und der Welt.
In den 90er Jahren war ein Motto gemeinsamer Aktivitäten der Bonner Frauenprojekte:
„wenn Frauen sich auf Frauen beziehen, verändern sie die Welt“.

Wenn wir uns in unserer Arbeit und Zusammenarbeit „auf Frauen beziehen“, so anerkennen wir durchaus die unterschiedlichsten Leiderfahrungen von Frauen. Wir anerkennen auch den Protest und den Widerstand, den Frauen gegen Gewalt und insbesondere Männergewalt bisher geleistet haben.
Wenn wir uns „auf Frauen beziehen“ tun wir aber weit mehr als das.

Wir anerkennen die Leistungen von Frauen, die die Welt verändert haben, weil sie ihrem Begehren, ihrem Sehnen, ihrem Wollen und ihrem Wünschen gefolgt sind. Anerkennung heißt hier nicht unbedingt bewundern oder für gut heißen, sondern sehen, sichtbar machen und eine Position dazu einnehmen.
Ich benutze hier auch den Begriff Begehren, weil wir uns damit auf das Denken der italienischen Feministinnen um den Frauenbuchladen in Mailand (Büchertisch) beziehen, das uns und unsere Arbeit inspiriert.

Indem sich die Mailänderinnen auf das weibliche Begehren bezogen, gingen sie schon 1983 von etwas aus, was wir heute mit dem Begriff „Ressourcenorientiertheit“ ausdrücken. Der Fokus liegt nicht darauf, was Frauen fehlt, sondern auf etwas, was Frauen schon haben, schon immer hatten. Und letztlich kann nur solch ein Fokus Motor von Veränderung sein.

Wenn wir uns „auf Frauen beziehen“ nutzen wir unser Wissen, unser Erforschen und Erfahren weiblicher Lebenszusammenhänge, um auch hier das Dazwischen zu erkunden.

Das Dazwischen, die Verbindung, die eine Frau zu einer anderen Frau eingeht und die Verbindung, die eine Frau zur Welt eingeht. Und auch die Verbindung, die eine Frau zu sich selbst, zu ihrer Vergangenheit, zu ihrem Körper, zu verschiedenen Anteilen ihrer Selbst eingeht.

Es geht nicht darum, daß Frauen auf eine bestimmte Art Frau sein sollen, sondern daß eine Frau sich in ihren vielfältigen, widersprüchlichen und nicht nur moralisch edlen Anteilen als Frau sichtbar macht. Dann kann das Dazwischen, die Differenz, gesehen und genutzt werden. Dann kann der Raum dazwischen sich füllen, kann über den Zwischenraum, den Spielraum verhandelt werden.

Auf diesem Hintergrund könnte ich es vielleicht auch so ausdrücken, daß unsere therapeutische Arbeit der Verhandlungsfähigkeit einer Frau dient.

Oder daß das Lernen von Achtsamkeit Verhandlungsspielräume erweitert.

Oder daß Selbstachtung eine liebevolle Kraft ist, die Zwischenräume schützt?

Oder daß es handlungs- und entscheidungsfähig macht, sich mit Aggression als Antriebskraft vertraut zu machen.

Und um im vielen Dazwischen nicht verloren zu gehen, arbeiten wir immer wieder auch an Zentrierung, suchen den Dialog mit inneren Weisheiten und vertrauen letztlich dem Leben.

Und damit kommen wir zum Schluß:

Sie ist einzigartig, weil sie von der Einzigartigkeit jeder Frau ausgeht und gleichzeitig dem Frausein eine Bedeutung beimißt. Eine Bedeutung, die nicht zu definieren ist, sondern nur zu leben, so wie es jede Frau begehrt.

Sie ist anders, weil sie vom Begehren jeder Frau ausgeht, weil sie das Andere zwischen Frauen anerkennt und weil sie Frauen ermutigt und unterstützt, sich auf konkrete andere Frauen zu beziehen und weibliche Autorität, da wo sie ist, zu sehen und zu nutzen.

Sie ist einzigartig anders, weil sie ihren Fokus nicht auf das Ideal eines autonomen Selbst richtet, sondern auf die Freiheit in Bezogenheit. 1

Und sie ist einmalig in Bonn, weil sie als Fraueninstitution ist wie sie ist und weil das therapeutische Fachteam der TuBF aus der Fülle schöpft:

Aus der Fülle von Therapiemethoden sind das:
Psychodynamische Psychotherapie, Gestalttherapie, Focusing, Psychodrama, systemische Familientherapie, Traumatherapie „Somatic Experiencing®“ nach Peter Levine, Psychodynamisch Imaginative Trauma-Therapie (PITT) nach Luise Reddemann und Shiatsu. Für die unterschiedlichen therapeutischen Qualifikationen bilden pädagogische, psychologische, theologische und heilpraktische Fach-Disziplinen die Grundlage.

Dieser Methodenreichtum bildet einen praxiserprobten, reflektierten und aktualisierten Therapiestandard. Darüberhinaus bauen wir auf unsere besonderen Erfahrungen und Kompetenzen, die wir uns durch unsere Besetzung des Teams, wie auch in unseren Fachfortbildungen erworben haben – und wie sie sich im Übrigen in unseren Beratungsschwerpunkten zeigt: Kompetenzen für die Arbeit mit Frauen, mit Lesben, mit Migrantinnen und mit Frauen mit Behinderung.

Und das alles an einem Ort. Das ist die TuBF
Ich schließe mit einem Zitat von Martin Buber:
… Das Dialogische
gründet sich auch auf die Offenheit des Menschen für Überraschungen“

(Buber 1985a, 304).
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Jetzt lasse ich mich und wir uns gerne überraschen von Fragen, …

Als Abschluß der Diskussion möchte ich Ihnen noch ein Gedicht von Hilde Domin vortragen

Täglich sähen wir Samen aus
für Bäume des Himmels,
darin unsere Träume nisten.
Die Vögel fliegen auf aus ihren Zweigensieh doch, die Luft trägt! –
Täglich sähen wir neuen Samen
für einen ganzen Wald Hoffnung.
Weil das Paradies in uns wurzelt.


1 vergl. Ina Praetorius (Hg): Sich in Beziehung setzen. Zur Weltsicht der Freiheit in Bezogenheit. Ulrike Helmer Verlag 2005