Schwarze Steine

Geschlechtsspezifische Gewalt gegenüber Frauen* (häusliche Gewalt)

2021

Menschen sind in bestimmten Situationen und Konstellationen gefährdet, Gewalt zu erleben. Menschen sind verletzbar.
Für Männer* ist die Straße der potentiell gefährlichere Ort, Frauen* sind eher im Nahraum der Wohnung und innerhalb von Beziehungen gefährdet. Vor allem Trennungen sind hier ein Risikofaktor.
Gewalt in Institutionen, geschlossenen Systemen und Kriegen hat noch einmal eine andere Dynamik.
Bei allem stellt sich die Frage, welche Gewaltformen werden als solche wahrgenommen, legitimiert, gefördert oder sanktioniert.

Wenn wir von geschlechtsspezifischer Gewalt gegenüber Frauen* sprechen, meinen wir Gewaltformen, die aus der Missachtung, Herabwürdigung, Verachtung und Abwertung von Menschen weiblichen Geschlechts heraus entstehen oder so legitimiert werden. Aus vielen unterschiedlichen Gründen erleben wir hier eine enorme gesellschaftliche Bereitschaft, Täterinnen und Mittäterinnen Sanktionsfreiheit einzuräumen. Individuell und strukturell wird so systematische Gewalttätigkeit gegenüber Frauen* zum (vorwiegend männlichen) Erfolgsmodell. Machtausübung kann kurzfristige psychische Stabilisierung bewirken und je nach Rollennormen sozial stabilisieren. Wird sie nicht deutlich gestoppt, setzt sie sich weiter fort, weil sie einfacher scheint, als an persönlicher oder politischer Veränderung zu arbeiten.

Frauen* die aus gewaltvollen Beziehungen entkommen möchten, brauchen einen geschützten Ort, bei freundlichen Menschen oder im Frauenhaus.
Hilfreiche Gedanken:

  • Wer zuschlägt, trägt dafür die alleinige Verantwortung
  • Wer verletzende oder demütigende Worte ausspricht, trägt dafür die alleinige Verantwortung.
  • Verantwortung trägt jede* für die Entscheidung, Gewalt weiter zu dulden oder nicht.

Zuerst einmal ist wichtig:
Tief durchatmen. Anerkennen der Realität. Schützen meiner Person und derer, die mir anvertraut sind. HANDELN. Alles andere kann später geklärt, verstanden, aufgearbeitet werden.

Warum Frauen bleiben:
Es gibt unterschiedliche Motive, warum Frauen sich dazu entscheiden, in gewaltvollen Beziehungen zu bleiben. Diese Motive, diese Gründe sind nicht zufällig und nicht nur individuell.

Sie sind umso mächtiger, je mehr sie von vielen Menschen geteilt werden.
Sie sind umso mächtiger, je geringer die äußeren Freiheitsgrade sind.
Sie sind umso mächtiger, je isolierter wir sind.
Sie sind umso mächtiger, je länger wir nicht handeln.

Zum Beispiel kann das der Wunsch sein, das Gegenüber möge von selbst das Verhalten ändern. Oder möge bitte Verständnis entwickeln für die Notlage. Oder möge sich selbst trennen. Oder möge unser Handeln verstehen und gutheißen, bevor wir uns selbst in Sicherheit bringen können. Oder wir möchten zuerst das Verhalten des Gegenübers verstehen und begreifen können, bevor wir uns erlauben, Konsequenzen zu ziehen. Oder wir brauchen zuerst die Legitimation einer anderen Autorität als der eigenen, die das Gegenüber verurteilt, als krank diagnostiziert oder für böse befindet, bevor wir uns in Sicherheit bringen können.

Zum Beispiel kann das die Sehnsucht danach sein, eine Familie oder Partner*innenschaft zu behalten. Oder endlich mal nicht diejenige Person zu sein, die alles entscheiden muss. Oder vor einem selbst, vor Freund*innen und Nachbar*innen unbedingt das Bild der heilen Familie und Beziehung aufrecht zu erhalten. Oder in einem Familienverband bleiben zu wollen, der vertraut ist.

Zum Beispiel kann es auch die Ohnmacht sein, in die wir geraten, wenn dauerhaft Gewalt oder Verletzung geschieht.  Wenn wir mit dem Tod bedroht werden. Wenn uns niemand glaubt. Wenn das Leben ausweglos erscheint.

Gewalt hat eine große Bindungskraft.

Je früher und je länger Gewalt im Nahbereich geschieht, desto stärker ist der Sog dieser gewaltigen Bindungskraft. Es kann sich so anfühlen, als gäbe es jenseits dieser Bindung keine Existenz.

Alle diese Dinge machen es schwer, Handlungsmöglichkeiten zu erkennen oder zu ergreifen, die aus dem Gewaltsystem herausführen.

Die erste Handlungsoption ist, sich zu entscheiden, einen ersten kleinen Schritt in eine andere Richtung zu wagen:

In welche Richtung möchte ich gehen, auch wenn ich den Weg noch nicht genau kenne.

Auch wenn ich noch nicht sicher weiß, wie lange er dauert.

Auch wenn ich mir nicht sicher bin, wohin der Weg am Ende führt.

Auch wenn ich dadurch alte Gewohnheiten und vertraute Sicherheiten, die geschadet und geschwächt haben, aufgeben muss.

Auch wenn ich vielleicht Privilegien verliere.

Auch wenn mir das Neue noch nicht vertraut ist.

Auch wenn der Sog sehr stark ist.

Handeln ist zu jedem Zeitpunkt immer und immer möglich.

Wenn Frauen* sich dafür entscheiden, bei diesen Schritten unterstützt und begleitet zu werden, bietet die TuBF Ansprechpartner*innen und therapeutische Unterstützung.

Auch längerfristig.

TuBF Frauenberatung
Marita Blauth
m.blauth@tubf.de

April 2021


1 bzw. Menschen, die als weiblich angesehen oder definiert werden. In dieser Definition geschlechtsspezifischer Gewalt sind noch nicht die Gewaltformen erfasst, die sich gegen Menschen richten, die nicht der binären Geschlechtsdefinition entsprechen wollen oder können.